Stadtmeisterschaft – Pokalübergabe
Am Mittwoch fand die die Siegerehrung zur Stadtmeisterschaft 2019 statt. Dabei wurde ein funkelnagelneuer Pokal vergeben. Anlaß genug, mal einen Blick auf die Geschichte der Stadtmeisterschaft und seiner Pokale zu werfen.
Die Anfänge
Nach seiner Gründung war der Aachener Schachverein lange Zeit der einzige
Schachverein in Aachen und Umgebung. Das war auch in den meisten anderen
Städten nicht anders. Bezeichnend ist z.B., dass man noch in den 20er-Jahren,
als es seitens des Rheinisch-Westfälischen Schachbundes erste Versuche gab,
einen Ligabetrieb einzurichten, nicht von Vereinsmeisterschaften
sondern
von Städtekämpfen
sprach. Eine Stadtmeisterschaft war jedenfalls
überflüssig: die Vereinsmeisterschaft des ASV war die Stadtmeisterschaft.
Nach dem 1.Weltkrieg kam es zu einem großen Aufschwung des organisierten
Schachs. Im Aachener Land gründeten sich viele neue Vereine, z.B.
Eschweiler 1921, Kohlscheid und Würselen 1926, Aachen-Burtscheid
und Stolberg 1927. 1929 erstand dann in Form eines Vereins names
Victoria
erstmals Konkurrenz in Aachen Innenstadt und wenig
später wurde auch der Schachklub 1930 Aachen
, die heutige
Aachener Schachgesellschaft, zum Leben erweckt. Außerdem hatten
sich auch in vielen katholischen Gemeinden der Stadt Schachabteilungen
gebildet. Diese organisierten seit dem Sommer 1928 einen Spielbetrieb im
Katholischen Schachverband Aachen
.
Der ASV bekam also lokale Konkurrenz und es war logisch, dass dementsprechend auch eine vereinsübergreifende, offene Stadtmeisterschaft ins Leben gerufen werden mußte.
Zu einem solchen Turnier lud der Aachener Schachverein erstmals anläßlich
seines 75-jährigen Bestehens per Ausschreibung im Aachener
Anzeiger/Politisches Tageblatt ein - für den Sieger wurde ein
Silberpokal
ausgelobt.
Fünf Spieler gewannen ihre Vierergruppe mit der vollen Punktzahl:
H. Hilden, F. Dericum, H. Köonig, J. Delois und Nyburg und gingen
in die Stichkämpfe. Deren genaues Ergebnis ist uns nicht bekannt.
Immerhin wissen wir aus dem Bericht über die Stadtmeisterschaft von 1933,
dass Felix Dericum, der seine Schachkarriere bei der Schachabteilung
St. Marien begonnen hatte und ab 1935 viele Jahre für Aachen 1930
spielte, mit einem Siegeszug [...] imponierte
und das Turnier
gewann.
Dann kamen die Nationalsozialisten an die Macht, die mit ihrem allumfassenden Machtanspruch auch die Schachwelt umkrempelten. Die Stadtmeisterschaften passten nicht in den Turnierplan, den der Großdeutsche Schachbund sich ausgedacht hatte, und wurden gleich wieder abgeschafft. Stattdessen trug man eine Bezirksmeisterschaft aus, die den ganzen damaligen Regierungsbezirk Aachen einschließlich Heinsberg, Erkelenz, Jülich und Düren zusammenbrachte.
Deswegen wurde erst nach dem Krieg 1946 wieder eine Stadtmeisterschaft
ausgerichtet.
Wegen des Mangels an Uhren mussten die Spiele jeder Runde auf
verschiedene Tage verteilt werden. Nach einem Stichkampf
gegen Quernheim wurde Hilden erster Stadtmeister nach dem Kriege
berichtet unsere Chronik.
Auch 1947 und 1948 wurde eine Stadtmeisterschaften ausgetragen. Der Sieger 1947 ist uns aber nicht bekannt, nur ein Bericht mit einem Zwischenstand liegt uns vor. 1948 gewann W. Urban.
Als sich dann aber der Aachener Schachverband etabliert hatte und es geregelte Mannschaftsligen und Verbandseinzelmeisterschaften gab, schlief die Stadtmeisterschaft wieder ein oder verlor jedenfalls an Interesse - wir konnten jedenfalls keine Berichte über eine Stadtmeisterschaft in den Jahren 1949-57 finden.
Die Stadtmeisterschaften seit 1958
Ein neuer Anfang wurde gemacht, als die Stadt Aachen 1958 die Schirmherrschaft übernahm und einen neuen Wanderpokal stiftete. Dadurch stieg das Prestige der Stadtmeisterschaft und von hier nahmen auch die Lokalpresse und die überregionale Schachpresse von der Aachener Stadtmeisterschaft Notiz.
Erster Gewinner des neuen Pokals wurde ein Student, den es nach Aachen verschlagen hatte, nachdem er wegen Beteiligung am gescheiterten Aufstand von 1956 vor den sowjetischen Panzern aus Ungarn flüchten mußte: Györgi Bonta. In den 70er-Jahren Spieler der ASV-Bundesligamannschaft und heute ASV-Ehrenmitglied hatte er sich damals dem kurz vorher neu gegründeten Postsportverein angeschlossen.
Auch in den Folgejahren war die Stadtmeisterschaft eine Domäne der Postler, dies kann man auch schön an der Siegerliste nachvollziehen, die über 21 Jahre lang gewissenhaft Jahr für Jahr ergänzt und auf dem Pokal eingraviert wurde. Wenn es dieses Pokal nicht gegeben hätte, würe es auch nicht möglich gewesen sein, die Siegerliste auf unserer Webseite zu erstellen. Zuletzt wurde der Pokal 1977-1979 dreimal hintereinander von Friedhelm Freise gewonnen, der ihn dann mit nach Hause nehmen durfte. Vor wenigen Wochen hat der ehemalige Bundesligaspieler ihn uns überlassen: er steht nun wieder bei uns im Spiellokal und sieht so aus:
Anfang der 80er Jahre befand sich der Aachener SV in einer Existenzkrise, die sich bis heute auf die Dokumentenlage im Verein auswirkt: in unserem Verein gibt es z.B. keine Unterlagen über die Stadtmeisterschaften der Jahre 1980-86. Wir würden uns freuen, wenn uns jemand beim Ausfüllen der Lücken in den 80er Jahren helfen könnte. Nur das Ergebnis der Stadtmeisterschaft 1985 haben wir bisher ausfindig machen können, denn der damalige Schachredakteur der Aachener Volkszeitung, Jannis Fappas, berichtete am 18. September 1985 von einer wichtigen Neuerung:
Die erste Stadtmeisterschaft, an der der Autor dieses berichts teilnahm, war das von der SG Philips und Rainer Assent großartig organisierte Turnier 1989. Der Werksverein hatte sogar einen neuen, schönen Pokal gestiftet, von dem sogar ein offizielles Hochglanzfoto im Originalzustand gemacht wurde:
Unvergessen sind auch die Stadtmeisterschaften die Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre vom ASV im Haus des Deutschen Ostens ausgerichtet wurden und zu denen sich jeweils mehr als 70 Teilnehmer einfanden.
Der von Philips gestiftete Pokal wurde nur wenige Jahre lang weitergereicht, denn schon in den Jahren 1992-1995 gewann Dipanegara Siahaan die Meisterschaft vier mal hintereinander und brachte sich damit, wie es so üblich ist, in den Besitz der Trophäe. Als er in seine Heimat zurückkehrte, blieb der Pokal bei uns im Spiellokal, wo er heutzutage beim Monatsblitzen zum Startgeldeinsammeln missbräuchlich verwendet wird, was man ihm auch ansieht.
Die Stadtmeisterschaften heute
Irgendwann allerdings (wir vermuten es war 1996) stellte der Aachener
Stadtsportbund im Rahmen einer Änderung seiner Richtlinien die
Förderung der Schach-Stadtmeisterschaft ein. Nach einem Jahr
Unterbrechung beschloß der ASV, eben doch ein Traditionsverein
,
die Stadtmeisterschaft in Eigenregie weiterzuführen.
Auch diesmal wurde ein neuer Pokal gestiftet, der aber im Vergleich
zu den Vorgängermodellen etwas bescheidener ausfiel und dann nach
einigen Jahren vergessen und nicht mehr vergeben wurde, obwohl er
immer brav im Vereinsheim auf der Fensterbank stand.
Diese frevelhafte Verletzung des Protokolls - Stadtmeisterschaften ohne Pokal ?!? - ließ unsere gute Seele Leo Jünger nicht ruhen, und so stiftete er dieses Jahr einen neuen, goldenen Pokal, den er dann selbst am Mittwoch bei der Siegerehrung zur Stadtmeisterschaft 2019 zum ersten Mal überreichen konnte. Dieser Moment, der in ferner Zukunft vielleicht mal als historisch bezeichnet werden wird, wurde im folgenden Foto festgehalten.
Der neue Pokal soll so wie früher wieder mit den Namen der Sieger graviert werden, und damit eine schöne Tradition wieder aufgenommen werden. Zufällig ist der erste Gewinner dieser Trophäe selber für die Umsetzung dieses Plans verantwortlich.
Beim anschließenden, auch schon traditionellen Siegerehrungsschnellturnier (5 Runden, 15min-Partien) erwies sich dann Borna Mohammadi-Nia von der SG Porz als unbesiegbar. Dafür gab es aber keinen Pokal, sondern eine DVD mit einem aktuellen Schachprogramm.