Bericht aus Bremen
Die Schach-Bundesligasaison 2021/22 endete am 7.-10. Juli mit einer Zentralveranstaltung im Bremer Weserstadion, wo die letzten fünf Runden ausgetragen wurden. Ursprünglich sollte die Veranstaltung zwei Wochen früher in Berlin stattfinden, was sich aber nicht realisieren ließ, wonach die Bremer kurzfristig als Veranstalter eingesprungen waren. Für uns vom Aachener Schachverein war die Verlegung in die NRW-Sommerferien allerdings sehr ungünstig. Nach Berlin wären wir in Bestbesetzung angereist, in Bremen mussten wir vor allem auf Christian Seel, Thibaut Vandenbussche und Felix Klein, also unsere ambitionierten U40-Nachwuchskräfte verzichten. Stattdessen bekamen, um es positiv zu formulieren, unsere etwas erfahreneren Ersatzspieler noch mal eine Einsatzchance. Die Hoffnung, vielleicht im Abstiegskampf noch mal Zünglein an der Waage zu spielen und in den anstehenden Kämpfen gegen die anderen Abstiegskandidaten vielleicht selber noch mal zu punkten, war damit allerdings von vorne herein ziemlich illusorisch.
Zuerst aber ging es in den Runden 11 und 12 gegen zwei Topmannschaften, nämlich gegen den SC Viernheim und die SG Solingen. Besonders der SC Viernheim war groß in Form und hatte vor Bremen alle Mannschaftskämpfe gewonnen. Gewisse Sorgen, dass es hier vielleicht gegen Ende unserer Bundesligazeit noch unser erstes 0:8 geben könnte, waren durchaus vorhanden, denn für Viernheim konnten im Meisterschaftskampf mit der OSG Baden auch die Brettpunkte eine wichtige Rolle spielen. Aber unser Topscorer in dieser Saison, IM Oscar Lemmers, hielt GM Arik Braun auf Distanz und Rudolf Meessen gelang mit seiner Spezialeröffnung sogar eine tolle Angriffspartie gegen GM Ilja Zaragatski.
Nach der Partie wurde Rudolf von Schachdeutschland.tv eingeladen, seine Partie zum kommentieren. Das Video ist unter href=https://m.twitch.tv/videos/1524949568 zu finden, Rudolfs Interview beginnt bei 4h06:30. Hier bringen wir nur die reine Notation.
Dass die Sorgen vor Viernheim nicht unberechtigt waren, zeigte sich am Freitag, denn unser Reisepartner, der Düsseldorfer SK, entging der Höchststrafe nicht. Mit 8:0 baute Viernheim seine Tabellenführung aus und verschaffte sich für den Showdown mit Baden die bestmögliche Ausgangslage. Eine 4:4 gegen den Serienmeister aus Baden hätte ihnen nun zur Meisterschaft gereicht.
Wir selbst schafften ein sehr anständiges 2,5:5,5 gegen Solingen.
Gabor an Brett 1 gegen GM Jorden van Forrest und Philipp an Brett 7 gegen GM Alexander Naumann nutzten den Anzugsvorteil, um ihren Gegnern keine großen Gewinnchancen einzuräumen, Thomas spielte statt seines früher gewohnten Sizilianisch dieses Mal das solide Russisch und erreichte damit eine Punkteteilung mit Schwarz. Oscar wäre mit einem Remis wohl auch zufrieden gewesen, aber als sein Gegner ein entsprechendes Angebot ablehnte, blieb ihm nichts anderes übrig, als die Partie zu gewinnen.
Mit diesem Punkt rückte für Oscar sogar eine GM-Norm in Reichweite. Wie man das genau ausrechnet, weiß der Autor dieses Artikels nicht, aber jedenfalls kann man fesstellen, dass Oscar mit 6 aus 13 gegen stärkste Gegnerschaft diese Saison unser Topscorer war.
Am Freitag Abend gab es ein großes Blitzturnier, an dem sich Thomas und Gabor beteiligten. Gabor belegte in einem Feldvon 110 Teilnehmer mit vielen Bundesligagroßmeistern einen großartigen 4. Platz. Das Ergebnis findet man bei chess-results.com.
Die Doppelrunde am Samstag war für uns ein Planungsalbtraum, denn natürlich wollte keiner von uns alten Herren beide Partien spielen. Da wir aber am Freitag nur neun Spieler in Bremen hatten, also jeweils nur ein Spieler aussetzen konnte, mussten sich sechs Mann beide Runden antun. Zuerst ging es gegen unseren Reisepartner, den Düsseldorfer SK. Auch hier gab es eine 2,5:5,5 Niederlage.
An den ersten drei Brettern hielten sich Gabor, Thomas und Oscar schadlos, aber an den Mittelbrettern machte sich die Tiefe des Düsseldorfer Kaders, die mit 6 Großmeistern gegen uns angetreten waren, bemerkbar. An den beiden hinteren Brettern waren die Verhältnisse nicht so extrem, trotzdem beruhte der volle Punkt des Vorsitzenden an Brett 7 eher auf einem Unfall:
Am Nachmittag ging es dann gegen USV TU Dresden, der eigentlich zu den etablierten Kräften in der Bundesliga gehört aber diese Saison Pech mit dem Spielplan hatte. Erst spielten die Dresdener gegen alle Favoriten und dann hatten sie auch noch etwas Spielpech, denn sie verloren mehrere Kämpfe mit 3,5:4,5. Zwischenzeitlich sah Dresden tabellarisch wie ein sicherer Absteiger aus. Als es dann aber in Bremen gegen die anderen Abstiegskandidaten ging, punkteten sie. Wir hätten die Elbflorentiner auf ihrem Weg zum Klassenerhalt gerne aufgehalten und Düsseldorf im Abstiegskampf Schützenhilfe geleistet, um dann nächste Saison in der 2. Liga einen starken Konkurrenten weniger zu haben. Allein dazu fehlten uns die Mittel und wohl auch die Kondition. Jedenfalls verloren wir sang- und klanglos mit 1,5:6,5. Für Dresden war damit der Klassenerhalt gesichert, denn vor der letzten Runde hatten sie zwei Mannschafts- und 15 Brettpunkte mehr als Düsseldorf, so dass auch der direkte Vergleich dieser beiden Teams in der Schlussrunde nichts mehr ändern konnte.
Parallel dazu fiel auch im Meisterschaftskampf. Die OSG Baden hatte personell mit den WM-Kandidaten Fabio Caruana und Richard Rapport noch mal nachgelegt und gewann das entscheidende Match gegen Viernheim mit 5:3. Zwischenzeitlich schien ein Ergebnis zugunsten von Viernheims durchaus möglich, aber in der fünften Stunde kippten zwei schwierige Endspiele zu Gunsten des Serienmeisters.
Zum Abschluss ging es dann am Sonntag noch gegen Augsburg, deren Abstieg auch bereits feststand. Augsburg war im Laufe der Saison mit zwei Gesichtern angetreten, gegen die schwächeren Teams in Bestbesetzung, gegen die Meisterschaftsfavoriten mit einer B-Mannschaft. Wir bekamen trotz der relativen Bedeutungslosigkeit der Begegnung die A-Mannschaft vorgesetzt, die sich aus sechs GM und zwei IM zusammensetzte. Die 3:5-Niederlage zum Abschluss war insofern ganz akzeptabel.
Einen kuriosen Moment gab es Brett 1.
Nach drei Corona-Jahren ist damit das Abenteuer Bundesliga für den Aachener SV beendet. Wir haben dazugelernt, was sich auch Zahlen ausdrückt (31 Brettpunkte in der Saison 2021/22 im Vergleich zu 23,5 in der Saison 2019/21) und sogar unsere Minimalziele erreicht: in beiden Saisons und im Meisterschaftsturnier 2021 in Karlsruhe jeweils einen Mannschaftspunkt geholt und von insgesamt 36 Mannschaftskämpfen keinen mit 0:8 verloren. Der ständige Kampf gegen übermächtige Gegner hat aber wohl dazu geführt, dass wir das Gewinnen verlernt haben: nur fünf Einzelsiege gelangen uns in den 120 Partien der Saison 2021/22. Und wenn man keine Partie gewinnt, kann man natürlich auch keinen Mannschaftskampf gewinnen, der Traum vom Mannschaftssieg blieb unerfüllt. Dieses Jahr geht bei Auf- und Abstieg wohl alles nach Turnierordnung (4 Abstieger, 4 Aufsteiger) und für uns nächste Saison in der 2. Liga West weiter. Einige von uns sind ganz froh, mal wieder eine Schachpartie auf Augenhöhe beginnen zu können.
Ralf hat auch wieder viele Fotos von der Veranstaltung gemacht, die wir noch nachliefern werden.