Dr. Ludwig Schuster

Dr. Ludwig Schuster war von ungefähr 1864 bis 1905 der führende Spieler des Aachener Schachvereins, den er auch als Vorsitzender und Schriftführer vertrat. Im Grunde genommen war er im besagten Zeitraum der einzige Aachener Schachspieler, der überregional in Erscheinung trat. Schach war allerdings nur eines seiner vielseitigen Interessen. Neuerdings ist in der Publikation Der jüdische Friedhof Aachen1 eine Biographie von Dr. Schuster erschienen. Diese fassen wir hier zusammen und lassen seinen schachlichen Werdegang einfließen.

Ludwig Schuster wurde am 13.4.1833 als drittes von acht Kindern des jüdischen Händlers Wolf Schuster und dessen Frau Sophie, geb. Hartog, in Düren geboren. Von seinen Geschwistern starben vier noch vor Erreichen des vierten Lebensjahrs. Er machte 1854 am Stiftischen Gymnasium in Düren sein Abitur und studierte anschließend Medizin. Nach seiner Promotion eröffnete er 1860 in Düren eine Praxis als Wundarzt und Geburtshelfer. Drei Jahre später ließ er sich in Aachen nieder.

In unseren Vereinsdokumenten wird Dr. Schuster das erste Mal 1864 erwähnt, als er bei der ersten Austragung einer Vereinsmeisterschaft hinter Herrmann Riefenstahl den 2. Platz belegte. Im Jahr darauf konnte er das Turnier dann gewinnen.

Im Jahr 1866 bringt er einen Kurführer heraus: "Die Aachener Thermen: Verhaltensregeln bei ihrem Gebrauche nebst Besprechung ihrer Wirkungen für Aerzte und Curgäste." 2 Während des preußisch-österreichischen Krieges 1866 leitete er ein Cholera-Lazarett in Neibidischow. Im selben Jahr wurde er zum Repräsentanten der Synagogengemeinde in Aachen gewählt.3

Ein großer Erfolg, der ihm auch überregionale Bekanntheit als Schachspieler einbrachte, gelang ihm beim 7. Rheinischen Schachkongress in Aachen 1868. Im Hauptturnier, das den stärksten Spielern des Rheinlands vorbehalten war und im KO-System ausgetragen wurde, erreicht er nach Siegen gegen Riefenstahl (mittlerweile Elberfeld), Levy und Schnitzler (beide Düsseldorf) das Finale. Dieses verliert er allerdings unglücklich gegen den Bonner Studenten Franz Tendering.

Die folgende Partie gehörte nicht zum offiziellen Programm des Rheinischen Schachkongresses. Wir vermuten, daß Dr. Schuster nach der unglücklichen Finalniederlage seinen Gegner zur Revanche gefordert hat. Diese sehr interessante Partie erschien im Dezember-Heft in der von Johannes Zukertort redigierten "Neuen Berliner Schachzeitung". 4


Der Vollständigkeit halber erwähnen wir noch, dass Dr. Schuster auch eine Aufgabe zum Problemturnier des Kongresses einreichte. Zum Problemkomponisten hatte er allerdings wohl keine starke Neigung und die Lösung dieser einen Aufgabe, die wir von ihm kennen, ist doch ein wenig grob.

1870 zieht Dr. Schuster als Feldarzt in den Deutsch-Französischen Krieg und wird mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet.

Nach dem Krieg ließ das Interesse am Schachspiel in ganz Deutschland deutlich nach, auch der Aachener Verein "fristete kläglich sein Dasein", wie ein späterer Schriftführer bedauerte. Auch Dr. Schuster stellte seine schachlichen Aktivitäten zurück, obwohl er am 10.3.1872 beim Aachener Schachverein das Vorstandsamt als Nachfolger von Eduard Scheibler übernahm. Das Amt hat er aber wohl nur pro-forma ausgefüllt.

Für seinen Rückzug vom Schach kann man aus unserer großen zeitlichen Distanz zwei Gründe finden. Zum einen war er sehr aktiv als Arzt und Forscher. Er bringt eine zweite, überarbeitete Ausgabe seines Kurführers heraus (1872) und verfasst auch eine Reihe medizinischen Fachbeiträge, die sich mit den Aachener Thermalbädern befassen. Außerdem schreibt er über die Behandlung der Syphilis, gegen die es damals ja noch keine Antibiotika gab. 1882 wies er bei einem Balneologie-Kongress in Berlin nach, dass Schwefel-Thermalwasser die Ausscheidung von Quecksilber (zuvor in Quecksilberkuren gegen die Syphilis verabreicht) fördert.5

Der zweite Grund für den Rückgang seiner schachlichen Aktivitäten dürfte gewesen sein, dass er, mittlerweile 40 Jahre alt, sich doch noch entschloss, zu heiraten. Am 3.11.1873 vermählte er sich mit der 18 Jahre jüngereren Emma Levi aus Blieskastel. Aus der Ehe gingen drei Söhne hervor: Wolf Erich, geb. 1877, Richard Eugen, geb. 1879 und Hugo, geb. 1886.

1879 finden wir seinen Namen auch in der Mitgliederliste des Aachener Geschichtsvereins in dessen Gründungsjahr. 6 Das Amt als Vorsitzender des Schachvereins gibt er allerdings ungefähr 1880 an den Mineralwasserfabrikanten August Heinemann ab, von dem aber auch keine Impulse zur Wiederbelebung des Aachener Schachlebens ausgingen.

In den 1890er Jahren nahm seine schachliche Aktivität wieder deutlich zu. Bei einer Vorstandsumbildung im März 1893 ließ er sich zum Schriftführer des Aachener Schachvereins wählen. Vorsitzender wird Bodo von Fischerz und Kassierer Samuel Jacobsberg. Die drei leiten in dieser Konstellation den Verein für die kommenden zwölf Jahre. Dr. Schuster beteiligte sich nun wieder regelmäßig an den Turnieren im Umfeld, z.B. in Krefeld, Gladbach oder Köln und betrieb anscheinend auch systematische Eröffnungsstudien. Ein Leserbrief von ihm zu einer Variante des Königsgambits erschien 1894 im Deutschen Wochenschach. Als Schachfunktionär ist er als Vertreter Aachens im Jahr 1901 beteiligt an der Gründung des Niederrheinischen Schachverbands.

Am 15. und 16. August 1904 spielt der NRSV einen Massenwettkampf gegen eine Niederländischen Schachbund. Dr. Schuster erspielte dabei 1,5 Punkte aus 2 Partien gegen Wessely, Haag. Das Remis kommt zustande, weil eine vermeintliche Gewinnstellung für Dr. Schuster als Remis abgeschätzt wird. Diese kleine Episode wäre nicht bemerkenswert, aber sie findet den Weg ins Protokollbuch des Aachener Vereins und man hat durchaus den Eindruck, dass der ehrgeizige Dr. Schuster sehr verärgert über diese Entscheidung war.

Im Jahr 1905 richtete der Barmer Schachverein anlässlich seines 50-jährigen Bestehens einen großen Schachkongress aus. Als Vorstandsmitglied des Niederrheinischen Schachverbands beteiligt sich Dr. Schuster aktiv an der Organisation des Turniers und an der Herstellung des Kongressbuchs. In diesem wird er uns vorgestellt als "Dr. Schuster, Aachen, der mit seinem nach ihm benannten Gambit schon manchem grosses Pech brachte." 7 Die Zugfolge dieses Gambits konnten wir allerdings noch nicht in Erfahrung bringen.

Mittlerweile 72 Jahre alt, erlegte Dr. Schuster beim Tombolaturnier nochmal einen großen Skalp. Sein Gegner, der Amtsgerichtsrat Schwan aus Cleve, war ein starker Amateur, der in Barmen am Hauptturnier B teilnahm. Die Partie ist im Turnierbuch von Georg Marco kommentiert worden.

Nur knapp fünf Monate später, noch vor Drucklegung des Barmer Turnierbuchs, starb Dr. Schuster. Im Protokollbuch des Aachener Schachvereins findet sich folgender Eintrag.

Durch das am 8.1.1906 erfolgte Ableben des Herrn Dr. Schuster hat der Aachener Schachverein einen außerordentlich großen Verlust erlitten. War doch Herr Dr. Schuster einer der stärksten Spieler Aachens, der dem Spiel sowohl wie dem Verein stets das größte Interesse entgegenbrachte. Durch seine häufige Teilnahme an auswärtigen Turnieren sowie seine eifrige Mitarbeit am Barmer Schachkongress im Jahre 1905 hat er sich nicht nur in Aachen sondern auch weiterhin in der Schachwelt einen Namen gemacht.

Dass der Barmener Schachverein obige Partie in das Turnierbuch aufgenommen hat, war sicherlich auch als Ehrenbezeugung gegenüber dem Verstorbenen gedacht.

Im Aachener Anzeiger erschienen etliche Todesanzeigen: die Aachener Liedertafel, der Verein für jüdische Geschichte und Literatur, der Aachener Ärzteverein, der Gewerbeverein, der Schachverein, der Kriegerverein der Ritter des Eisernen Kreuzes, das Landwehr-Offiziers-Corps, das Kuratorium des Israelischen Asylvereins und des Israelitischen Armen-Unterstützungsvereins ehrten ihr verstorbenes Mitglied alle mit einer Todesanzeige. Das Grab von Dr. Schuster und seiner Frau Emma befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof an der Lütticher Straße, Grabstelle B-05-31a. Auf dem Grabstein befindet sich ein Portrait von ihm und seiner Frau.8

Anmerkungen

  1. Holger A. Dux (Herausgeber), Iris Gedig (Redaktion): Der jüdische Friedhof Aachen Lütticher Straße, Mayersche Buchhandlung Aachen, 2022
  2. Aachen, Verlag von P. Kaatzer’s Buchhandlung, 1866. Verfügbar unter https://books.google.de/books?id=ROguWluHHLgC
  3. Von der Emanzipation zum Holocaust – Die israelitische Synagogengemeinde zu Aachen 1801-1942, Verlag der Mayer’schen Buchhandlung, Aachen 1994, Band 1, S.898ff.
  4. Neue Berliner Schachzeitung, Jg.5 (1868), S.350 und S.366f
  5. Prof. Dr. Hans-Karl Rouette: Tuch & Thermen, Grenz-Echo Verlag.
  6. Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Band 1(1879), S.29.
  7. Der Schachkongress des Barmer Schachvereins 1905, S.17. Nachdruck durch die Edition Olms, Tschaturanga Band Nr.49
  8. Alles zu finden unter http://www.familienbuch-euregio.de/genius?person=548917.