Die Niederrhein-Bezirksmeisterschaften 1927-1930

In den Jahren 1927-1930 nahm der Aachener Schachverein an den ,,Städtewettkämpfen” des Rheinisch-Westfälischen Schachverbandes teil. Unseres Wissen war dies die erste Schachliga in unserer Region und damit logischerweise auch das erste Mal, dass der Aachener Schachverein an einer Schachliga teilnahm. In diesem Artikel rekonstruieren wir die Ergebnisse dieser Meisterschaften aus den Berichten, die im Aachener Anzeiger/Politisches Tageblatt erschienen. Zusammengestellt von Philipp Lamby, 9.Januar 2020.

Vorbereitungen

Im Herbst 1901 war unter Aachener Beteiligung der Niederrheinische Schachverband gegründet worden. Der Verband war sehr erfolgreich und aktiv, veranstaltete jährlich Schachkongresse an wechselnden Orten und Vergleichskämpfe gegen den Niederländischen Schachbund, die teilweise an 70 oder mehr Brettern ausgetragen wurden. Nachdem sich einige Vereine aus den umliegenden Bezirken angeschlossen hatte, benannte man den Verband ab dem 1. Januar 1913 in Rheinisch-Westfälischen Schachverband (RWSV) um.

Die Organisation eines Ligaspielbetriebs wurde aber erst Mitte der 20er-Jahre aufgenommen. Am 9.1.1926 tagten Vorstand und Vereinsvertreter des RWSV in Düsseldorf. Der Aachener Verein wurde dort vom Vorsitzenden Otto Brech vertreten. Auf dieser Sitzung wurden die erstmals vorgesehenen ,,Städtewettkämpfe” innerhalb des RWSV geplant. Durchführungsbestimmungen wurden erarbeitet und auf einer Versammlung am 13. März 1926 im Palast Café in Düsseldorf angenommen.1

Insbesondere unterteilte man den Verband in vier Bezirke: in den Niederrhein, den Ruhr-Bezirk, Westfalen und den Bergisch-Märkischen Bezirk. 2 In jedem Bezirk sollte eine Meisterschaft in drei Klassen A,B,C ausgetragen werden, die Meister der Bezirke dann untereinander den Verbandsmeister ausspielen.

Es dauert allerdings noch über ein Jahr, bis die Pläne umgesetzt wurden. Aber in der Saison 1927/28 konnte der ASV erstmals an einer regulären Liga teilnehmen.

Die Saison 1927/28

Im Niederrhein beteiligten sich letztlich drei Teams an der Bezirksmeisterschaft: der Krefelder Schachklub 1851, der Aachener Schachverein 1856 und der Schachverein M’Gladbach 1878. Ursprünglich sollte der Neußer Schachverein das Feld komplettieren, aber dort machte man wohl im letzten Moment einen Rückzieher. Man spielte doppelrundig gegeneinander, wobei eine Mannschaft aus sieben Spielern bestand und die Auswärtsmannschaft an den ungeraden Brettern Weiß hatte.

Der Spielplan wurde wie folgt festgelegt: 16.10.1927: Krefeld - Gladbach, 20.11.1927: Aachen - Krefeld, 4.12.1927: Gladbach - Aachen, 8.1.1928: Gladbach - Krefeld, 5.2.1928: Krefeld - Aachen und 18.3.1928: Aachen - Gladbach.3

Den ersten Ligakampf ihrer Vereinsgeschichte gewannen die Aachener am 20.November gegen Krefeld mit 4,5:2,5.4 Im einzelnen spielten (die ASV-Spieler sind kursiv gedruckt): (1) G. Kemper - O. Brech 1/2, (2) W. von Pittler - Bruckhaus 1-0, (3) Dr. Ottersky - F. Vopel 1-0, (4) F. Dreyfuß - J. Hülters 1-0, (5) Rosberg - H.H. Staudte 0-1, (6) L. von Spankeren - A. Kemper 1-0, (7) H. Hülters - J. Roßkopf 1-0. Von Pittler, der auch Gründer und verantwortlicher Redakteur der Schachecke im Aachener Anzeiger war, analysierte in der Zeitung seine eigene Partie. Sie ist damit logischerweise die älteste Partie aus einem Aachener Ligakampf, die uns überliefert ist.

Auch im Hinspiel in Gladbach am 4.Dezember ist man erfolgreich und gewinnt 5:2.5 (1) O. Brech - W. v.d. Kerkhoff 1/2, (2) Dahlmanns - W. von Pittler 1-0, (3) H. Hilden - Flender 1-0, (4) W. Kamphausen - F. Vopel 0-1, (5) H.H. Staudte - Flörsheim 1-0, (6) Mück - L. von Spankeren 1/2, (7) H. Donner - Lechtenfeld 1-0. Aus diesem Kampf bringt die Schachecke die Partien von den Brettern 1,3 und 4.6

Die Aufstellung in diesen beiden Kämpfen muß ungefähr das Optimum gewesen sein, welches das Aachener Schach damals aufzubieten hatte. Stadtbaumeister Otto Brech war der Vorsitzende des Vereins und in den 20er-Jahren einer der stärksten Spieler im Rheinland. Wolfgang von Pittler war ein international bekannter Problemkomponist. Hubert Hilden wurde 1930 und 1931 ASV-Vereinsmeister und 1946 erster Stadtmeister nach dem Krieg. Fritz Vopel begegnet uns in den Quelle aus jener Zeit sowohl als Problemkomponist, als auch als Schachpädagoge und -historiker und als einer der Gründungsväter des Stolberger Schachvereins. Hans-Hilmar Staudte war wahrscheinlich der stärkste Schachspieler, den Aachen je hervorgebracht hat, wenn wir seinen dritten Platz bei der Deutschen Meisterschaft 1951 hinter Unzicker punktgleich mit Bogoljubow zum Maßstab nehmen. Hier sehen wir ihn als jugendliches Talent bei seinen ersten ernsten Wettkämpfen. Julius Roßkopf trat erstmals 1929 als Einzelmeister des Schachverbandes Aachen Land, dem Vorläufer des Aachener Schachverbands, in Erscheinung. Nach dem Krieg gewann er die ASVb-Einzelmeisterschaft noch fünf Mal. Ludwig von Spankeren und Hermann Donner gehörten vor dem Krieg viele Jahre zum Inventar des ASV. Wir finden ihre Namen in den Turniertabellen jener Zeit immer direkt hinter den vorgenannten Spitzenkräften des Vereins.

Nachdem Krefeld dann nur ein knapper 4:3 Sieg gegen Gladbach gelingt, jubelt der Redakteur der Schachecke schon, ,,daß in der Gesamtwertung der Aachener Schachverein nicht mehr einzuholen sein dürfte.”7

Dann kassiert man allerdings in Krefeld eine ,,unerwartet hohe” 6:1-Niederlage. Kleinlaut korrigiert sich die Schachecke: ,,Unsere Vorhersage, daß Aachen in der Gesamtwertung nicht mehr einzuholen sei, müssen wir wohl zurücknehmen!!”8 (1) O. Brech - G. Kemper 0-1, (2) Bruckhaus - H.H. Staudte 1-0, (3) Ozelberger - Dr. Ottersky 0-1, (4) J. Hülters - F. Dreyfuß 1-0, (5) F. Vopel - Rosberg 1-0, (6) A. Kemper - H. König 1-0, (7) J. Roßkopf - H. Hülters 1-0.

Den letzten Kampf, nun ziemlich bedeutungslosen Kampf gegen Gladbach gewinnt man 4,5:2,5. Die Einzelergebnisse sind uns aber nicht überliefert.9 Insgesamt können wir die folgende Tabelle rekonstruieren:

  Verein 1 2 3 Summe
1 Krefelder Schachklub Turm X; X 2,5; 6 5; 4 17,5
2 Aachener Schachverein 4,5; 1 X; X 5; 4,5 15
3 Schachverein M’Gladbach 2; 3 2; 2,5 X; X 9,5

Die Saison 1928/29

Die Meisterschaft der Folgesaison wurde im gleichem Format nach folgendem Terminplan ausgetragen: 7.10.1928: Gladbach - Krefeld, 28.10.1928: Aachen - Gladbach, 18.11.1928: Krefeld - Aachen, 9.12.1928: Krefeld - Gladbach, 20.1.1929: Gladbach - Aachen, 24.2.1929: Aachen - Krefeld.10

Der Hinkampf gegen Gladbach wurde 5:2 gewonnen.11 (1) W. v.d. Kerkhoff - O. Brech 1-0, (2) H.H. Staudte - W. Kamphausen 1/2, (3) Flörsheim - H. Hilden 1/2, (4) F. Vopel - Küstermann 1-0, (5) Busch - L. von Spankeren - Busch 0-1, (6) F. Becker - Prof.Dr.Fitting 1-0, (7) Paltzwal - P. Staudte 0-1.

In Krefeld setzte es dann aber eine 2,5:4,5 Niederlage.12 (1) O. Brech - G. Kemper 1/2, (2) Bruckhaus - W. von Pittler 1-0, (3) H.H. Staudte - Dr. Ottersky 1-0, (4) Hülters I - F. Vopel 1-0, (5) H. Donner - Rosberg 1-0, (6) A. Kemper - F. Becker 1-0, (7) Körver - Hülters II 0-1.

Den Rückkampf gegen Gladbach gewinnt man 4,5:2,5, wobei das Ergebnis an den Brettern 1 und 3 erst nach Abschätzung der Abbruchstellungen feststand.13 (1) W. v.d. Kerkhoff - O. Brech 1/2, (2) H.H. Staudte - Flörsheim 1-0, (3) W. Kamphausen - F. Becker 1-0, (4) L. von Spankeren - Flender 1-0, (5) Küstermann - H. Donner 0-1, (6) F. Schander - Dr. Kempen 1/2, (7) Klingenberg - Körver 0-1.

Um Bezirksmeister zu werden hätte man nun im Rückkampf gegen Krefeld am 6.April einen hohen Sieg benötigt, es reichte aber nur zu einem knappes 4:3.14 (1) G. Kemper - O. Brech 0-1, (2) W. von Pittler - Bruckhaus 0-1, (3) Dr. Otterksy - H. Hilden 0-1, (4) L. von Spankeren - Hülters 1/2, (5) Rosberg - H. Donner 1/2, (6) F. Becker - A. Kemper 1-0, (7) Hülters - A. Voepel jun. 1-0.

Damit ergab sich die gleiche Rangfolge wie im Vorjahr.15

  Verein 1 2 3 Summe
1 Krefelder Schachklub Turm X; X 4,5; 3 5,5; 5 18
2 Aachener Schachverein 2,5; 4 X; X 5; 4,5 16
3 Schachverein M’Gladbach 1,5; 2 2; 2,5 X; X 8

Die Saison 1929/30

Die Aachener Mannschaft hatte ihre Aufstellung gemäß der Ergebnisse der Vereinsmeisterschaft 1928/29, die von Pittler gewonnen hatte, umgestellt. Er rückte nun ans Spitzenbrett. Ansonsten blieb organisatorisch alles beim Alten.

Zum Auftakt war man wie gewohnt gegen Gladbach mit 2,5:4,5 siegreich.16 (1) W. v.d. Kerkhoff - W. von Pittler 1/2, (2) O. Brech - Jungfleisch 1-0, (3) Elchenbroich - H. Hilden 0-1, (4) J. Roßkopf - Flörsheim 1-0, (5) Kamphausen - F. Becker 1-0, (6) H. Donner - Schwalb 0-1, (7) Küstermann - H. König 0-1.

Am 12.1.1930 gewann man dann mit dem gleichen Ergebnis auch das Hinspiel gegen Krefeld.17 (1) Bruckhaus - W. von Pittler 0-1, (2) O. Brech - G. Kemper 1/2, (3) Dr. Ottersky - H. Hilden 1-0, (4) Lauterjung - J. Hülters, (5) H. Hülters - J. Roßkopf 0-1, (6) H. Donner - Krüger 0-1, (7) Hönninger - F. Becker -:+.

In der zweiten Februarhälfte gab es im Rückspiel in Krefeld eine knappe 3:4 Niederlage.18 Angesichts dessen, dass Aachen ohne seine Spitzenspieler angetreten war, und sogar ein Brett kampflos aufgeben musste, wurde dieses Ergebnis als sehr gut empfunden. (1) H. Hilden - Bruckhaus -:+, (2) Kemper - F. Vopel 1-0, (3) J. Roßkopf - Dr. Ottersky 1-0, (4) Hülters - F. Becker 1-0, (5) H. König - Rosberg 1-0, (6) Dr.Holler - H. Hoff 0-1, (7) H. Frank - Hülters 0-1.

Mit einem guten Ergegnis gegen Gladbach hätte man sich nun die Bezirksmeisterschaft aus eigener Kraft sicher stellen können, aber beim Kampf am 9. März war man nicht vom Glück verfolgt 19 und kassierte eine 2,5:4,5 Pleite. (1) W. von Pittler - W. v.d. Kerkhoff 1/2, (2) H.Flörsheim - O. Brech 1/2, (3) F. Vopel - W. Kamphausen 1/2, (4) Eichholz - J. Roßkopf 1-0, (5) F. Becker - Schwalb 0-1, (6) Eckert - H. Hoff 0-1, (7) H. Frank - Küstermann 0-1.

Das Meisterschaftsergebnis hing nach dieser Niederlage von der Abschätzung einiger Partien aus dem letzten Wettkampf Gladbach - Krefeld ab. Als diese bekannt gegeben wurden, stellte sich heraus, dass es für Aachen doch noch ganz knapp zur Bezirksmeisterschaft gereicht hatte. Alle drei Teams waren in der Tabelle nur durch einen Brettpunkt getrennt.20

  Verein 1 2 3 Summe
1 Aachener Schachverein X; X 4,5; 2,5 4,5; 3 14,5
2 Schachverein M’Gladbach 2,5; 4,5 X; X 2,5; 4,5 14
3 Krefelder Schachklub Turm 2,5; 4 4,5; 2,5 X; X 13,5

Im dritten Anlauf hatten die Aachener es also geschafft, die Bezirksmeisterschaft zu erringen, aber trotzdem endet die Saison mit einer Enttäuschung, denn Staffelleiter v.d. Kerkhoff vermeldete ,,Leider kann die Verbandsmeisterschaft in diesem Jahr nicht ausgetragen werden, da in den anderen Kreisen keine Siebener-Wettkämpfe stattgefunden haben.”

Schluss

In den Folgejahren hat der ASV sich nicht mehr an einer Liga des RWSV beteiligt. Es ist uns nicht bekannt, ob überhaupt welche stattgefunden haben. Es ist auch möglich, dass der Ligaspielbetrieb des RWSV schon nach drei Jahren wieder eingestellt wurde.

Anmerkungen

  1. Zeitschrift Karl 1/2011, 150 Jahre Schachverbände im Rheinisch-Westfälischen Raum, S.12-19.
  2. Aachener Anzeiger/Politisches Tageblatt, Schach-Ecke Nr.104, 21.7.1928.
  3. Schach-Ecke Nr.63, 8.10.1927 und Nr.64, 15.10.1927
  4. Schach-Ecke Nr.70, 26.11.1927
  5. Schach-Ecke Nr.72, 10.12.1927
  6. Ebd. und Schach-Ecke Nr.80, 4.2.1928
  7. Schach-Ecke Nr.79, 28.1.1928
  8. Schach-Ecke Nr.82, 18.2.1928
  9. Schach-Ecke Nr.88, 1.4.1928
  10. Schach-Ecke Nr.117, 20.10.1928
  11. Schach-Ecke Nr.119, 3.11.1928
  12. Schach-Ecke Nr.129, 12.1.1929
  13. Schach-Ecke Nr.131, 26.1.1929 und Nr.132, 1.2.1929
  14. Schach-Ecke Nr.142, 13.4.1929
  15. Schach-Ecke Nr.145, 4.5.1929
  16. Schach-Ecke Nr.177, 14.12.1929
  17. Schach-Ecke Nr.182, 18.1.1930
  18. Schach-Ecke Nr.190, 15.3.1930
  19. Ebd.
  20. Schach-Ecke Nr.197, 3.5.1930